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Gentherapien: Wie sich Gene reparieren lassen

Von Geburt an blind. Muskelschwund, bis man nicht mehr laufen, essen oder atmen kann. Nahezu null Abwehr gegenüber Viren und Bakterien. Lebenslange Gefahr, schon bei einer kleinen Schnittwunde lebensgefährlich viel Blut zu verlieren: Seltene Erbkrankheiten konnten bislang in den allermeisten Fällen nicht ursächlich behandelt werden. Gentherapien wollen sie an der Wurzel packen – dem defekten Gen.

Gentaxi

Das Gen-Taxi

Bei monogenetischen Erbkrankheiten weiß man genau, welches Gen defekt ist und der Zelle eine falsche Bauanleitung für ein bestimmtes Protein liefert. Es gibt nun Methoden, eine gesunde Kopie des defekten Gens in die Zelle zu bringen. Die häufigste Anwendung sieht vor, die Erbsubstanz aus einem speziellen Virus zu entfernen und dieses Virus damit unschädlich zu machen. Die verbleibende Virushülle kann nun als „Taxi“ genutzt werden. Es ist so gestaltet, dass es seine Zielzellen genau anpeilen kann. Dort angekommen, schleust es das gesunde Gen in die Zellen. Diese stellen nun das ordnungsgemäß arbeitende Protein her, welches sie aufgrund des geerbten defekten Gens bisher nicht produzieren konnten.

Die Genschere

Die Entdeckung der „Genschere“ CRISPR-Cas9 durch die beiden Genforscherinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna wurde 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet und ist Ausgangspunkt für verschiedene Arten der Gentherapie: Bei der klassischen CRISPR-Cas9-Methode schickt man die Genschere – das Enzym Cas9 – und eine „Leit-RNA“ per Gentaxi (meist ein Fetttröpfchen) zu den Zielzellen. Sie wer- den beispielsweise direkt ins Organ gespritzt oder finden über das Blut ihr Ziel. Einmal in den Zellen angekommen, lagert sich die Leit-RNA im Zellkern genau dort an den DNA- Strang an, wo der Defekt besteht. Die DNA-Doppelhelix entknäult sich. Cas9 schneidet jetzt beide Stränge der DNA-Doppelhelix durch und löst so den defekten DNA-Bereich heraus.

 

Für manche Erberkrankungen ist dieser Akt schon die Therapie. Für andere muss in einem zweiten Schritt ein gesundes, im Labor hergestelltes Gen in die Schnittstelle eingefügt werden. Der Körper repariert den vom Schnitt verursachten Doppelstrangbruch selbst. Dabei können zu einem geringen Prozentsatz unbeabsichtigt Basenpaare gelöscht, ausgetauscht oder hinzugefügt werden. Daher wird nun weiter daran gearbeitet, die CRISPR-Cas 9-Methode noch exakter und nebenwirkungsärmer zu machen. Prime Editing ermöglicht gezieltes Editieren, ohne doppelsträngige DNA-Schnittstellen zu erzeugen. Die Genschere schneidet nur einen der beiden Stränge durch und hat im Gen-Taxi zudem ein Enzym dabei, das die neue, korrekte Information an der Schnittstelle einbaut. Die Anleitung dafür bringt die Leit-RNA mit, die nun also eine Doppelfunktion hat: Schnittstelle finden und sofort Korrektur vornehmen.

 

Weil die beiden DNA-Stränge nach dieser Veränderung nicht mehr zueinander passen, schneidet ein modifiziertes Cas9-Enzym in einem finalen Akt auch den nicht editierten Strang. Das hat weniger unbeabsichtigte Folgen als beim klassischen CRISPR-Cas9-Ansatz (siehe oben). Beim Base Editing, das auf den Harvard-Chemiker und -Biologen David R. Liu zurückgeht, wird gar kein DNA-Strang durchschnitten. Stattdessen korrigiert ein Enzym eine einzige mutierte Base in einer Art minimal-invasiver chemischer OP am offenen Gen. Die Methode funktioniert nur bei Erkrankungen, die auf einer einzigen mutierten Base in einem einzigen Nukleotid basieren – wie beispielsweise bei der Sichelzellanämie.

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