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Veranstaltung: Mentale Gesundheit – raus aus der Defensive

Wo stehen wir in der Präventionsarbeit in Deutschland? In der Veranstaltung "Mentale Gesundheit – raus aus der Defensive!“ wurde der Präventionsindex im Bereich psychischer Erkrankungen näher vorgestellt. Expert:innen diskutierten, welche Erkenntnisse sich aus dem Präventionsindex für eine zukünftige Ausrichtung der Präventionsarbeit für die mentale Gesundheit ableiten lassen.

Veranstaltung Prävention Mentale Gesundheit

Wie wichtig die Gesundheit für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist, hat die Covid-19-Pandemie für alle spürbar gezeigt. Gleichzeitig vermeldet unter anderem der aktuelle Gesundheitsreport der DAK für das Jahr 2022 die höchsten Fehlzeiten seit einem Vierteljahrhundert. Alarmierend hierbei ist ein neuer Höchststand bei den psychischen Erkrankungen.

 

Dies sollte als Weckruf verstanden werden: Gezielte Vorsorge kann dem Anstieg von psychischen Erkrankungen entgegenwirken und somit unser Gesundheits- und Sozialsystem resilienter machen.

 

Aber wo stehen wir in der Präventionsarbeit in Deutschland? In der Veranstaltung „Mentale Gesundheit – raus aus der Defensive!“ wurde der Präventionsindex* im Bereich psychischer Erkrankungen näher vorgestellt. Expert:innen diskutierten darüber, welche Schritte für eine zukünftige Ausrichtung der Präventionsarbeit für die mentale Gesundheit nötig sind und welchen Nutzen der Präventionsindex für die Gesundheitsvorsorge in Deutschland künftig bringen kann? Wie muss die Gesundheitsvorsorge der Zukunft aussehen, damit dem Anstieg von psychischen Erkrankungen erfolgreich gegengesteuert werden kann?

 

Die Diskussion zeigte: Für eine verbesserte Präventionsarbeit für die mentale Gesundheit in Deutschland gibt es bereits gute Ansatzpunkte. Eine Datenbasis und klar definierte Ziele könnten dafür eine Wissensgrundlage bilden – der Präventionsindex, den wir in Zusammenarbeit mit Springer Medizin, der Universität Bielefeld und Vandage erstellt haben, versucht genau dies. Nur bei einer verstärkten Ausrichtung der Präventionsarbeit auf evidenzbasierte Ansätze, lassen sich gezielte Präventionsmaßnahmen effektiv umsetzen.

 

Darüber hinaus betonten die Expert:innen die Notwendigkeit, die Ressourcen im Gesundheitssystem verstärkt auf die Prävention auszurichten und (mentale) Gesundheit stärker in einem Health-in-all-Policy-Ansatz zu verankern.

 

Werfen Sie einen Blick in die Veranstaltung!

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Die Impulse der Expert:innen

Diana Stöcker, Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU) und des Gesundheitsausschusses

„In Deutschland ist der Blick eher auf Krankheit und Rehabilitation gerichtet und nicht auf Prävention. Wir stehen viele Meter vor dem Ziel, Prävention wirklich wertzuschätzen. Eigentlich müsste es umgekehrt sein, es muss viel mehr Wert auf Prävention liegen, damit es gar nicht erst zu Krankheiten kommt. Ein wichtiger Teil von Prävention ist, Gesundheitskompetenz zu stärken, früh anzufangen, auch in der Schule. Meine Idee wäre, ein Unterrichtsfach „Gesundes Leben“ einzuführen, mit Sport, Resilienz-Stärkung, Aufklärung über Drogen […], das macht die Kinder fit für die Zukunft.“  

Dr. Andrea Benecke, Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer  

„Im Gegensatz zu Themen wie Ernährung und Bewegung wissen Menschen über psychische Erkrankungen oft noch zu wenig Bescheid. Viele wissen nicht, dass man psychische Erkrankungen vermeiden oder hinauszögern kann. Präventiv ist beispielsweise, frühzeitig zu lernen, mit Stress umzugehen, sozial eingebunden zu sein. Deshalb ist Aufklärung so wichtig: Wir müssen die Menschen dort aufsuchen, wo sie sind: in ihrer Arbeitswelt, in der Kita, in der Schule. Wir müssen niederschwellig eingreifen und frühzeitig identifizieren, wer belastet ist – also noch nicht psychisch erkrankt.  Wir müssen die vielen einzelnen Präventionsprojekte, von denen wir wissen, dass sie wirken, in die Fläche bringen. Aktuell haben wir bei Präventionsprojekten keine Nachhaltigkeit.“  

Dr. Matthias Albers, Sprecher des Fachausschuss Psychiatrie im Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes

„Letzten Endes haben wir eine schlechte Datenlage zur mentalen Gesundheit überhaupt.  Es bedarf eines bundesweiten Überblicks über die Präventionsarbeit, sodass man nicht auf unterschiedliche Datenquellen zurückgreifen muss, die im Zweifel nicht miteinander vergleichbar sind. Das würde uns helfen, regionale Unterschiede zu erkennen. Aber bis wir dahin kommen, dass wir wirklich beurteilen können, wie gut oder schlecht die Prävention tatsächlich ist, ist es noch ein sehr weiter Weg. Einerseits weil es noch an den passenden Maßnahmen fehlt, andererseits weil wir keine Idee haben, wie wir das sinnvoll messen können. Wichtig ist zu schauen, was die großen Dinge sind, die wir bewegen müssen: Es gilt, das Konzept von Health in all Policies verschärft zu implementieren: beim Wohnungsbau, bei der Stadtplanung, Verkehrsplanung, Gestaltung von Arbeitswelt, in den Bildungsgängen.“ 

Dr. Julian Witte, Geschäftsführer Vandage GmbH und Mitentwickler des deutschlandweiten „Präventionsindexes“, der aus einer Zusammenarbeit von Pfizer mit Springer Medizin entstanden ist.

„Der Wert der Prävention ist unbestritten. Doch im Gesundheitswesen sind wir mit begrenzten Ressourcen konfrontiert. Um zu beurteilen, wo es besonders lohnend wäre, mehr in Prävention zu investieren, müssen wir die beiden Themen „Wert von Prävention“ und „Ziele von Prävention“ zusammendenken. Wir müssen wissen, wo wir stehen und wohin wir wollen, dann können wir entscheiden, welche Themen ganz oben auf die Agenda gehören. Sonst investieren wir ins Blaue hinein. Auch braucht es Mut für nicht perfekte Evaluationen. Für unser eigentliches Ziel – weniger psychische Erkrankungen – müssten zum Beispiel auch intermediäre Punkte wie weniger Arztkontakte, weniger Fehlzeiten, akzeptiert werden.“ 

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