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App-Check mit Ekaterina Alipiev: „Evidenzbasierte Apps nützen nichts, wenn sie die Nutzer nicht ansprechen – und vice versa.“

Foto von App-Checkerin Ekaterina Alipiev

Weit mehr als 100.000 Health Apps soll es geben, schätzte man im vergangenen Jahr und rund jeder zweite Smartphone-User in Deutschland soll eine oder mehrere nutzen.  Unmöglich, sich einen Überblick zu verschaffen. Doch interessant, mit welchem Blick ein Health-App-Native auf die Landschaft blickt: Ekaterina Alipiev hat vor drei Jahren die App Jourvie zur Unterstützung der Therapie von Essstörungen entwickelt. Sie wurde 2016 in die Forbes Liste “30-under-30 Social Entrepreneurs” aufgenommen. Sie ist mit der Health-Start-up-Szene bestens verdrahtet, organisiert unter anderem Pfizers Healthcare Hub in Berlin.

Niemand ist näher dran – Apps von Patienten entwickelt

„Wer selbst von einer Erkrankung betroffen ist, kennt auch wirklich die Bedürfnisse auf dem Therapiepfad – also weiß, wobei Unterstützung nötig ist, was besonders schwer fällt, was das soziale Umfeld denkt, wie Angehörige reagieren und unter welchen Umständen man ein normales Leben hinbekommt und wann nicht. Zwei Beispiele, die völlig verschieden sind und doch jeweils diese Nähe verdeutlichen, sind: wemingo von Johannes Schirrmeister für Menschen mit Paruresis ("schüchterne Blase") und Boost von Dr. Vedrana Högqvist Tabor für Menschen mit Autoimmunerkrankungen.

Wissen, wie der Weg ist – Apps von Ärzten entwickelt

„Mit dem Überblick über die unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten, dem Wissen über den Weg der Patienten – und wie dieser auch innerhalb der eigenen Praxis vielleicht verbessert werden kann – zum Beispiel, indem Doppelbehandlungen vermieden werden – haben Ärzte natürlich viel beizutragen, wenn es darum geht, Menschen auch mit Hilfe von Apps informiert und effizient durch das Versorgungssystem zu lotsen.“ Zwei Beispiele wären: connected-health von Dr. Johannes Jacubeit oder medilad von Dr. Hajnalka Hejja.

Für viele für gut befunden – Apps von Krankenkassen erstattet

„Apps, die Eingang in die Erstattung finden, wurden zuvor ausführlich und gründlich geprüft. Das ist also schon mal ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Dadurch werden sie dann auch für eine große Anzahl an Patienten zugänglich und gleichzeitig lässt sich evaluieren, ob diese Apps dann auch die erhoffte Wirkung zeigen.“ Ein Leuchtturmbeispiel ist das Produkt tinnitracks von Sonormed, das schon von mehreren Kassen erstattet wird. Es gibt auch andere Kooperationen zwischen Kassen und Startups aus dem Health-Bereich, manchmal auch in Kombination mit einem Device – wie zwischen der AOK Nordost und dem Startup Emperra für Diabetes-Patienten.

In Studien als nützlich erwiesen – evidenzbasierte Apps

„Es gibt eine Vielfalt an Angeboten (Apps, Wearables), die mit dem noblen Ziel entwickelt wurden, Menschen zu helfen. Ob diese neuartigen Produkte aber tatsächlich in der Lage sind, Veränderungen zu bewirken und die Versorgung zu verbessern, ist oft fraglich, auch wenn sie von medizinischen Experten oder Patienten konzipiert worden sind. Deshalb ist es sehr wichtig, zu prüfen, welche Wirkung die Apps auf die Zielgruppe haben und ob sie zu tatsächlichen Verbesserungen führen. Wenige mir bekannte Apps haben auf z.B. randomisierte kontrollierte Studien durchführen können und repräsentative Ergebnisse generieren können, da klinische Studien in diesem Bereich vor allem für junge Start-ups sehr schwierig (kostenintensiv und langwierig) sind.“ Ein Beispiel ist Preventicus.

Auf spezielle Bedürfnisse ausgerichtet – Apps für bestimmte Patientengruppen

„Unterschiedliche Patienten- oder auch Altersgruppen brauchen unterschiedliche Ansprache. Aber nicht nur – auch die Motivationsmechanismen sind anders. Während man Erwachsene vielleicht über relevante Informationen, ausführliche Analyse der eingetragenen Daten und bestimmte Belohnungssysteme versuchen kann abzuholen, müssen bei Kindern zum Beispiel andere Motivatoren berücksichtigt werden.“ Beispiele dafür sind MySugr (Diabetes-App) samt einer eigenen Version der App für Kinder, welche man mit der Elternapp verbinden kann; oder aber das Spiel Memore von RetroBrain, das speziell für Senioren entwickelt wurde.

 

Bildnachweis: exdez/Getty Images

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