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Digital Health Strategie für Deutschland: das lässt sich von den Vorreiter-Staaten lernen

Good Practices aus Dänemark, Finnland, den Niederlanden, Österreich und Portugal

Digital Health Strategie

Das Bundesgesundheitsministerium erarbeitet derzeit eine Digital-Health-Strategie. Der Plan für eine erfolgreiche Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem entsteht gerade in einem partizipativen Prozess und soll bis zum Ende des Jahres ausformuliert sein.

Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat die Bonner Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung empirica die Strategien Dänemarks, Finnlands, der Niederlande, Österreichs und Portugals analysiert und eine Reihe von Interviews mit Expertinnen und Experten aus den jeweiligen Ländern geführt.

Wir teilen einige der identifizierten Good Practices aus den 5 Ländern mit freundlicher Genehmigung der Plattform „Der digitale Patient“. Der Ursprungstext sowie weitere Beiträge sind hier zu finden.

 

 

Messbare Ziele für eine Digital-Health-Strategie

Die Strategien der fünf Länder zeigen: Es genügt nicht, einfach nur eine politische Vision für die Verfügbarkeit digitaler Dienste in der Gesundheitsversorgung zu haben. Umsetzbar und ganzheitlich sind Digital-Health-Strategien nur, wenn sie an übergeordnete gesundheits- und sozialpolitische Ziele anknüpfen, die auch messbar sind. Wie zum Beispiel die Verbesserung der Früherkennung von Krankheiten anhand definierter Messwerte. Oder die messbaren Vorteile für die Forschung, die durch die Nutzung von Daten aus elektronischen Patientenakten (ePA) entstehen.

Aufgabe der Gesundheitspolitik ist es demnach, Roadmaps mit zeitlichen Vorgaben zu definieren – also Leitfäden, Handlungsanweisungen und Aktionspläne für die wichtigsten Akteure im Gesundheitswesen. Solche Roadmaps sorgen schlussendlich dafür, dass die nötigen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele auch umgesetzt werden.

Eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie für das deutsche Gesundheitswesen sollte zudem (1) von einer europäischen Ebene, (2) einer nationalen Ebene und (3) einer sektoralen Ebene aus betrachtet werden (siehe Abbildung). Der Grund: Spätestens seit der Veröffentlichung des Entwurfs zum Europäischen Gesundheitsdatenraum ist deutlich, dass die EU-Kommission ihren Einfluss auf nationale Digitalisierungsentwicklungen in den Mitgliedsstaaten durch Mindestvorgaben für die ePA erweitert.

Im Entwurf finden sich auch erste Voraussetzungen für einen europäischen Digital-Health-Markt. Auf nationaler Ebene sind die einzelnen Akteure (Bundesregierung, BMG, Bundesärztekammer, Selbstverwaltungskörperschaften etc.) gefragt, zusammen an einer gemeinsamen Strategie für das deutsche Gesundheitswesen zu arbeiten. Für die konkrete sektorale Umsetzung und Überwachung der Strategie und ihrer Inhalte müssen Mandate für Systemakteure (z. B. gematik, Krankenkassen) geschaffen und eine effektive Governance ausgebaut werden.

Klare Verantwortlichkeiten bei Steuerung und Umsetzung der Strategie

Aus den Strategien Dänemarks, Finnlands, der Niederlande, Österreichs und Portugals wird auch ersichtlich: Um eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie zum Erfolg zu führen, ist eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten für die Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie essenziell.

Hierzulande könnte dies beispielsweise ein spezielles Strategie- und Steuerungsgremium übernehmen. Ein solches Gremium müsste Vertreter aus Politik, Selbstverwaltung und gematik einbinden. In Dänemark etwa sind das Monitoring der Strategieumsetzung, die übergreifende Koordinierung und der Austausch zwischen den beteiligten Akteuren in einem nationalen E-Health-Board verankert.

Dort kommen Regionen, Regierung und Ärzteschaft jährlich zusammen und prüfen und priorisieren gemeinsame Vorhaben, um gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. Wichtig ist: Die Digitalisierung muss langfristig gesichert sein. Erfahrungen aus den untersuchten Ländern haben gezeigt, dass die Digitalisierung in politisch turbulenten Zeiten besonders dann vernachlässigt wird, wenn das Strategie-Monitoring in die Hände von einzelnen Behörden oder Ministerien gelegt wird, wenn deren Vertreter wahlbedingt in kurzen Intervallen wechseln.

Ausreichende Mittel für die operative Steuerung

Bei der operativen Steuerung sollte zudem darauf geachtet werden, dass nachgelagerte Behörden, Gremien und Institutionen, die für die Umsetzung der Strategie zuständig sind und Projekte managen, mit ausreichenden personellen Ressourcen ausgestattet werden. Diese sollten in einer Strategie von Anfang an bedacht werden. In Dänemark, Portugal und Österreich tragen E-Health-Agenturen die übergreifende Verantwortung für die operative Steuerung. Diesen stehen hinreichend personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung.

Klare Roadmaps und Einbindung der Endnutzer bei der Evaluierung

Einen Aspekt hat die Analyse der fünf Nationen besonders hervorgebracht: Parallel zur E-Health-Strategie an sich, sollten die Autoren eine Roadmap formulieren – mit konkreten Umsetzungsplänen sowie einem Zeitrahmen und die Übertragung von Verantwortlichkeiten für bestehende und zukünftige Vorhaben. Diese Roadmap sollte auch die Dokumentation bestehender und künftiger Vorhaben vorsehen, die zur Bedarfsermittlung, Priorisierung und anschließenden Umsetzung wesentlich sind. Dazu gehört auch ein Benchmarking erfolgreicher lokaler oder regionaler Projekte, um skalierbare Best Practices zu identifizieren.

Wichtig aber ist nicht nur eine klare Roadmap an sich. Ebenso elementar ist es, dass sie nicht in Stein gemeißelt sein darf, sondern kontinuierlich evaluiert werden sollte, um bei Bedarf Anpassungen an die Strategie zu ermöglichen. Wobei Evaluierungsprozesse dann am besten gelingen, wenn die Endnutzer – also Leistungserbringer ebenso wie Patientinnen und Patienten – fortlaufend darin eingebunden werden.

Die Niederlande beispielsweise haben dafür eigens das Format eines „E-Health-Monitors“ eingeführt: Darin werden jährlich qualitative und quantitative Daten zur Nutzung von E-Health-Angeboten und zu den Erfahrungen von Leistungserbringern erhoben. Als Indikatoren dienen etwa Werte zur Versorgungsqualität, digitalen Kompetenzen oder regulatorischen Rahmenbedingungen. Solche partizipatorischen Prozesse tragen erheblich zur Zufriedenheit der Anwender bei.

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