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Hautkrebs-Screening: „Auch in zehn Jahren werden Maschinen nicht besser sein als Ärzte.“

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Sind KI-gesteuerte Maschinen bei der Hautkrebsfrüherkennung besser als derzeitige Screenings des geschulten Facharztes mit Auflichtmikroskop? Dr. Felix Kiecker, Leiter des Hauttumorzentrums der Charité in Berlin meint: Bislang ist davon nicht auszugehen.

Es ist eine schöne Vorstellung: Ein Gerät, das unfehlbar erkennt, ob eine bestimmte Hautläsion ein Hautkrebs ist – und jeder Arzt kann es verwenden. Doch meiner Ansicht nach wird sie nicht Realität. Die Gründe dafür liegen zum einen in der Qualität und zum anderen in der Machbarkeit im medizinischen Alltag.

Die Kunst besteht darin, keinen Hautkrebs zu übersehen.

Jedes Jahr wird bei 180.000 bis 200.000 Menschen in Deutschland heller Hautkrebs neu diagnostiziert. Meist haben die Patienten ein höheres Alter.. Die Tendenz ist steigend, weil immer mehr Menschen immer älter werden und der Trend, seine Haut der Sonne auszusetzen, ungebrochen ist. Von Neuerkrankungen mit einem malignen Melanom, dem schwarzen Hautkrebs, sind rund 18.000 meist jüngere Menschen betroffen. Der sogenannte Goldstandard für die Diagnostik ist das Hautscreening per Dermatoskopie oder auch Auflichtmikroskopie durch Fachärzte. Bei Auffälligkeiten werden betroffene Stellen operativ entfernt. Ein histologischer Befund gibt im Nachhinein Gewissheit, ob die Veränderungen bösartig waren oder nicht.

Der Nachweis, dass Algorithmen Hautkrebs besser erkennen, fehlt bislang.

Die Behauptung steht im Raum, dass durch neue Messmethoden weit mehr Parameter in die Beurteilung miteinfließen als bei einer „normalen“ Dermatoskopie, die sich vor allem auf die Form und Farbe von Hautveränderungen und die Erfahrung des Facharztes dabei stützt. Aber der Nachweis dazu fehlt bislang. Der Algorithmus ist nur so gut, wie er es gelernt hat. Jedes Device muss nachweisen, wie sensitiv und wie spezifisch es ist. Dazu muss es wie ein Medikament in Studien nachweisen, dass es das kann. Erst dann wird der Nutzen für die Patienten klar. Mir sind einige Studien dazu bekannt, auch an der Charité, aber Ergebnisse gibt es meines Wissens nach dazu noch nicht. Klar: Diese Hürde ist immens hoch, man braucht eine relevante Stichprobe, die Rekrutierung von Teilnehmern für eine klinische Studie ist langwierig und die Durchführung sehr teuer –die meist kleinen Anbieter neuer Geräte können dies meist kaum finanzieren.

Eine Stunde oder länger wird niemand bei einem Haus- oder Hautarzt verbringen.

Der zweite Grund, warum ich skeptisch bin, liegt in der Machbarkeit. Die mir bekannten Einzelmessungen über neue, teils KI-unterstützte Geräte dauern mit einer Stunde und mehr sehr lang. Das ist unrealistisch für den Praxis- wie den Klinikalltag. Denn es wird durch kein Honorar abgebildet. Um einigermaßen wirtschaftlich zu sein, muss das Screening in fünfzehn Minuten erfolgen.

 

Doch es gibt zukunftsweisende Methoden: Ganzkörper-Fotografie-Methoden beispielsweise. Dies ermöglicht vor allem im zeitlichen Verlauf Läsionen daraufhin zu überprüfen, ob sie sich verändern. Für die Versorgung interessant sind in diesem Zusammenhang auch telemedizinische Projekte, die erprobt werden: Anhand verschiedener Fotos, die der Patient selbst von seinem Körper macht, wird – gestützt durch eine Technik, die ursprünglich aus der Rüstungsindustrie stammt – quasi ein Ganzkörperscan von der Haut erstellt und an einen Arzt übermittelt. Dies kann vor allem älteren Menschen, die überproportional häufig von hellem Hautkrebs betroffen sind und in ländlichen Regionen leben, bei der Abklärung ihrer Hautveränderungen mit einem entfernt praktizierenden Hautarzt wichtige Anhaltspunkte geben.

 

Was ist also das Fazit? Der helle Hautkrebs wird aufgrund der zunehmenden Häufigkeit unser großes Problem werden. Aber auch in zehn Jahren wird es wahrscheinlich so sein, dass ein Arzt, vielleicht mit ein wenig moderneren Messinstrumenten als bislang, die Haut screenen und im Zweifel immer noch sagen wird: Besser wir nehmen die Läsion raus und sind dann nach dem histologischen Befund froh, wenn wir ein Melanom oder eine andere Hautkrebsart, die Metastasen bilden kann, entfernt haben.

 

 

Foto: zoranm/iStock/Getty

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