Gesundheit als eigenes Schulfach – gibt’s das? Jawohl, und zwar im Norden Europas: Finnlands Schüler kennen „Gesundheitserziehung“ als Schulfach.

„Uns wurde Grundwissen über Gesundheit in der Schule vermittelt, damit wir uns später leichter wohlfühlen können“, erinnert sich Xenia Brockmüller, 20, die seit der sechsten Klasse in Helsinki zur Schule ging und dort ihr Abitur machte. „Das Schulfach ist sehr breit angelegt. Es ging um ausgewogene Ernährung, wie Nährwerte zu verstehen und anzuwenden sind, um die Notwendigkeit von ausreichendem Schlaf und die Gesundheitsgefahr von Drogen. Auch alle Themen rund um Sexualität besprachen wir.“ Damit gibt Finnland bei der Gesundheitserziehung und -förderung eine Entwicklung vor, der andere Länder folgen könnten.
Mit Erfolg: Nach Auskunft der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind finnische Schüler in Europa mit am besten über Gesundheit informiert1. Das benotete Schulfach ist fest im Unterrichtssystem verankert, es ist auch Teil der finnischen Abschlussprüfung, wenn die Schüler es als Testfach wählen – und somit von Einfluss auf die Studienmöglichkeiten. „Vorher hatten wir Schüler kaum Zugang zu einem Wissen, was gut für uns und unsere Körper ist“, sagt Xenia Brockmüller. „Ich kann so etwas für Schulen in Deutschland wirklich empfehlen.“ Mittlerweile studiert sie Physik an der Universität Hamburg.
Gestärkte Gesundheitskompetenz
Finnland legt historisch viel Wert auf Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Bereits in den Vierzigern des vorigen Jahrhunderts entstanden die ersten Kindergesundheitskliniken2, in den Siebzigern begann ein umfangreiches Monitoringsystem zur Gesundheit der finnischen Bevölkerung. Das 1972 gestartete Nord-Karelien-Projekt entwickelte sich zum Präventionsprogramm mit weltweiter Strahlkraft. Und in den Neunzigern wurde Gesundheitserziehung an der Universität3 selbständiges Studienfach.
Die Kompetenz der Bürger nahm derweil mehr und mehr zu. 1920 zum Beispiel war Finnland noch weltweit das Land mit dem höchsten Tabakkonsum pro Kopf; in den letzten 20 Jahren sank dieser um 50 Prozent4 – und Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2030 weniger als fünf Prozent aller Finnen regelmäßig rauchen werden. Auch die Lebenserwartung stieg überdurchschnittlich. 1960 lag sie in Finnland bei knapp 69 Jahren – viereinhalb Jahre unter der in Schweden oder Norwegen. Heute haben sich die Werte mit knapp 82 Jahren angeglichen. Finnland liegt damit zwei Jahre über dem OECD-Durchschnitt.
Ein Baustein dieser Entwicklung könnte das Gesundheitsfach an den Schulen sein, das 2005 eingeführt wurde. „Es geht nicht nur um reine Wissensvermittlung“, bilanziert Xenia Brockmüller, „sondern auch darum, sensitiver für Gesundheitsthemen zu werden, das Bewusstsein zu schärfen“.
2 WHO: Finland: innovative health education curriculum and other investments for promoting mental health and social cohesion among children and young people, S. 94 (https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0007/74761/Hbsc_Forum_2007_Finland.pdf?ua=1)
3 International Journal of Sciences, Vol2, December 2013: The Value and Implementation of Health Education in Finland, S. 3 (www.ijSciences.com)
4http://de.vapoteurs.net/Finnland-ein-echtes-Beispiel-f%C3%BCr-die-Raucherentw%C3%B6hnung/
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