Der Markt für Gesundheits-Apps ist unüberschaubar: Mehr als 140.000 Apps finden sich alleine in den Kategorien Gesundheit & Fitness und Medizin im weltweit größten App-Store Google Play – jede 10. davon ist deutschsprachig. Nutzer haben es nicht nur schwer, die passende App mit dem gewünschten Unterstützungsprofil zu finden; sie können in der Regel auch nicht beurteilen, ob die jeweilige App vertrauenswürdig und sicher ist, weil die Angaben der Anbieter dazu in der Regel sehr lückenhaft sind.
Nur ein Bruchteil der deutschsprachigen Gesundheits-Apps wird von Krankenkassen, Selbsthilfeorganisationen oder anderen bekannten Institutionen angeboten. Die überwiegende Anzahl der Apps stammt von unbekannten Herstellern.
Von den rund 14.000 deutschsprachigen Gesundheits-Apps haben nur einige wenige gemäß Medizinproduktegesetz (MPG § 3) ein sogenanntes EU-Konformitätsverfahren durchlaufen und sind CE- gekennzeichnet. Ein Nutzennachweis ist damit nicht verbunden. Die Gesundheits- und Medizin-Apps werden in der Regel nicht fachlich überprüft, bevor sie in den App-Stores angeboten werden. So gefährden sie möglicherweise denNutzer durch fehlerhafte Inhalte, falsche Berechnungen und Algorithmen oder aber indem sie seine Privatsphäre verletzen und seine gesundheitsbezogenen persönlichen Daten unbefugt weiter nutzen. Viele Apps haben nicht einmal eine Datenschutzerklärung. Bei den deutschsprachigen Diabetes-Apps etwa, die wir seit 2013 regelmäßig untersuchen, erklärt nur jede vierte überhaupt, wie sie die Daten des Nutzers zu schützen gedenkt. Und das, obwohl 80 Prozent dieser Apps als Blutzuckertagebücher genutzt werden können und man mit 60 Prozent dieser Apps auch Daten teilen kann.
Knackpunkt „Nutzennachweis“
Der Ruf nach Wegweisern im Dickicht dieses wachsenden Angebots wird lauter. Derzeit entwickeln verschiedene medizinische Fachgesellschaften Qualitätssiegel, um Therapeuten eine Orientierung geben zu können, welche der vielen Apps sie ihren Patienten empfehlen können. Noch hat es keine App in die Regelversorgung geschafft, die Gründe dafür sind vielfältig, nicht zuletzt fehlt es am Nutzennachweis. Jede Intervention, die anerkannt und erstattet werden will, muss diesen Nachweis erbringen. Ob der Nutzennachweis gegebenenfalls für Health-Apps abgewandelt werden soll, um auf die Marktdynamik und den schnellen technischen Entwicklungszyklen zu reagieren, wird sehr kontrovers diskutiert.
Auf unserer App-Bewertungsplattform „HealthOn“ nutzen wir einen Kriterienkatalog, der aus knapp 200 Testfragen besteht. Viele Fragen, um die Qualität von Gesundheitsinformationen einzuschätzen, stammen aus der prä-digitalen Zeit: Legt der Anbieter seine Unternehmens- bzw. Produktinteressen offen, so dass sich einschätzen lässt, ob Gesundheitsinformationen interessengeleitet sind? Gehen die Informationen in der App auf wissenschaftliche Belege oder gar auf Leitlinien zurück, sind sie evidenzbasiert? Wichtig ist auch, wie verständlich die Inhalte einer App sind und wie gut sich eine App bedienen lässt. Denn was bringt eine leitlinienkonforme App, die wenig nutzerfreundlich ist und so aufgemacht ist, dass sie das Interesse von Nutzern nicht wecken oder dauerhaft binden kann? Andere Kriterien zielen auf die besonderen Herausforderungen digitaler Anwendungen: Wie steht es um den Schutz und die Sicherheit der Daten, die App-Nutzer erfassen, teilen oder versenden? 90 Prozent der Apps aus Google Play werden kostenfrei angeboten – bezahlt der Nutzer möglicherweise mit seinen Daten?
Hoher Prüfaufwand
Der Prüfaufwand für Gesundheits-Apps ist hoch, ihr Risiko variiert erheblich und das Vertrauen in App-Empfehlungen ist schnell verspielt. Damit ein Qualitätssiegel für Gesundheits- und Medizin-Apps wirklich Nutzen bringt und die gewünschte Orientierung für Patienten aber auch für Therapeuten bieten kann, muss es weithin bekannt sein und sowohl von den App-Nutzern als auch von den Therapeuten, die diese Apps empfehlen, akzeptiert werden.
Dafür müssen sich jetzt alle Akteure zusammen tun. Denkbar ist beispielsweise ein fachübergreifender Basis-Kriterienkatalog, der in ein gemeinsames Qualitätssiegel münden und das jede Fachgesellschaft bei Bedarf durch fachspezifische Anforderungen ergänzen kann.
Wir bieten unser fundiertes, unabhängiges Expertenwissen zur Analyse des App-Angebotes in Deutschland an, und laden ein, das Potenzial von digitalen Gesundheits-Anwendungen für eine bessere Versorgung von Patienten und Verbrauchern mit vereinten Kräften zu erschließen.
Weiterführende Informationen auf Healthon
Dr. rer. nat. Ursula Kramer, Gründerin von Healthon, Informations- und Bewertungsplattform für Gesundheits-Apps
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